In einem Orte in der Nähe des Uetsuki-Tempels1 (殖槻寺) der linken (Hälfte der) Hauptstadt Nara lebte eine verwaiste Maid, (孤孃) noch unverheiratet, ohne Gatten. Geschlecht und Name sind nicht weiter bekannt. Zur Zeit, da Vater und Mutter gelebt hatten, war reiche Fülle, Wohlstand und Reichtum gewesen Häuser und Speicher hatten sie in großer Zahl gebaut. Ein Kwanzeon-Bosatsu-Bronze-Ebenbild, (觀世音) zwei Ellen, fünf Zoll hoch, hatten sie gießen lassen, hatten, vom Hause getrennt, eine Buddha-Halle errichtet und jenes Ebenbild (als Heiligtum) aufgestellt und brachten Opfer dar. Zur erlauchten Zeit der Himmlischen Majestät Shōmu starben Vater und Mutter; Knechte und Mägde entwichen und zerstreuten sich, Rosse und Rinder starben und verdarben, Gut und Vermögen schwand, das Haus verarmte; einsam und allein hütete das Mädchen die leere Behausung, Tag und Nacht wehklagend, Tränen vergießend. Da sie vernommen hatte, daß Kwannon-Bosatsu reichlich gebe, was man erbitte, band sie an des Ebenbilds Hand einen Strick und zog, opferte Blumen, Wohlduft und Licht und erflehte so ein Segensteil (福分) und sprach: „Ich, ein einzig Kind, ohne Vater und Mutter, verwaist, bin hier, mutterseelenallein; Hab' und Gut ist verloren; verarmt das Haus; mich zu erhalten, hab ich kein Mittel. Ich flehe, spende mir Segen! Gib rasch Spende eilends!“ So weinte und flehte sie Tag und Nacht.
Im Orte war ein reicher Mann, die Frau war gestorben, und er ein Witwer. Diese Maid erblickend, sandte er einen Mittelsmann und warb um sie. Die Maid antwortete und sprach: „Ich bin jetzt arm, mein Leib bloß, ohne Kleider, ihn zu kleiden. Wie will ich, mein Äußeres (von ihm) trennend, ihm begegnen und mit ihm sprechen?“ Der Vermittler kehrte zurück und berichtete dem Manne die Sache. Der Mann vernahm es und sagte: „Daß sie arm und dürftig ist und Kleider mangeln, weiß ich klar. (Die Frage ist) nur: ob sie will oder nicht.“ Der Vermittler ging und ließ es sie wissen. Die Maid aber sagte doch nein und lehnte ab. Der Mann drängte, kam und quälte. Da willigte sie im Herzen ein und hatte Umgang mit dem Manne.
(Abbildung ähnlich.)
Andern Tags regnete es ohne Aufhören von früh bis spät. Durch den Regen gehindert, konnte er nicht weggehen. Drei Tage ward er zum Bleiben genötigt. Den Mann hungerte und er sprach: „Mich hungert. Gib mir zu essen!“ Die Gattin sagte: „Ich will dir jetzt bringen.“ Am Herd stehend, machte sie Feuer und setzte den leeren Topf auf, preßte an die Wange die Hände, kniete zu Boden; dann trat sie in die leere Kammer, ging hin und her – groß war ihr Kummer! Da spülte sie sich den Mund aus2 und wusch die Hände, ging in die heilige Halle hinein, band an das Ebenbild einen Strick, zog, klagte und weinte und redete (demütig [mosu]) und sprach: „Laß nicht Schande über mich kommen! Spende eilends Güter mir!“ Und sie schied von da, und, wie zuvor, gegen den leeren Herd gewandt, kniete sie nieder, preßte die Hand gegen die Wange. Da, zur Tageszeit des Affen, klopfte es eilig an die Tür und rief nach jemandem. Sie geht hinaus und sieht, da ist es die Amme des reichen Nachbars, hat hundertfältiger Würze Trank und Speise – herrlich der Geschmack, erlesen der Duft – bereitet und bringt es in großer Lade. Da fehlt es an nichts. Das Geschirr ist alles Edelmetallplatten, (Nakada: kanamariuroshinunosara)“ Sie reicht es und sagt: „Wir hören, Gäste sind da; daher möchte die Nachbarin, die Altmutter,3 sich behilflich zeigen4 und etwas bringen5“ Gebt nur bitte hernach das Geschirr zurück!“ Die Maid freute sich sehr, wußte kaum, wie ihr glücklich Herz bezwingen, zog das schwarze Kleid,6 (黒衣) das sie anhatte, aus, gab es der Botin und sagte: „Ich habe nichts, das ich schenken könnte, nur das staubige Gewand; zur glücklichen Stunde nehmt es an!“ Die Amme, die Botin, nahm es und zog es an und ging eilends wieder fort. Da sie nun die Speisen nahm und das Mahl auftrug und der Mann die Speisen sah, verwunderte er sich, sah die Speisen nicht weiter, sondern blickte immer fort das Gesicht seiner Frau an. Andern Tages schied der Mann und, vier [zehn] Rollen Seide, zehn Sack7 Reis der Frau zuschickend8, sagte er: Von der Seide nähe dir geschwind Kleider! Von dem Reis bereite eilends Wein!“ Da nun die junge Frau in das reiche Haus ging, von ihrem glücklichen Herzen zu erzählen und voller Lobens und Ehrens war, sagte die Nachbarin, die Frau des Hauses: „Die närrische Frau! Ist ein falscher Geist9 in sie gefahren? Ich (wenigstens) weiß von nichts.“ Die Botin auch sagte: „Ich weiß auch von nichts. Als sie nun, so an die Falsche gekommen (semerarete), nach Hause zurückging und wie gewöhnlich anzubeten in die Tempelhalle ging, siehe, da hatte das Kwannon-Ebenbild jenes schwarze Kleid an, womit sie die Botin gekleidet. So war zu wissen: Die Kwannon hatte sich erzeigt. Daher, an Ursache und Frucht (ingwa) gläubig, brachte sie mit um so größerer Inbrunst jenem Ebenbilde Verehrung dar. Von da an in der Folge erlangte sie großen Wohlstand, wie vordem, allen Hungers ledig, ohne Trübnis. Gatte und Gattin lebten fortan, von Mißgeschick ungetroffen, ein völliges, glückliches Dasein. Dies ist wundersames Geschehen.