In der Hauptstadt Nara war ein Großpriester (daisō). Sein Name ist nicht weiter bekannt. Der Priester rezitierte immer das Hōkwō-Sutra.1 Er lieh an Laien Geld aus und ernährte so Weib und Kind. Eine (“his only") Tochter freite und wohnte gesondert in des Gatten Haus.
Zu der Zeit der Regierung der Kaiserlichen Herrscherin, der Himmlischen Majestät Abe, wurde der Schwiegersohn zu des Landes Oku2 Amtmann3 ernannt. Daher borgte er von dem Priester, dem Schwiegervater, zwanzig Pfund (貫) Geldes, ließ sich die Gewänder (装束 sōzoku) machen und reiste nach dem Lande seines Amts. Über ein Jahr verging, und das geliehene Geld hatte sich verdoppelt; aber der Schwiegersohn zahlte nur die anfängliche Summe zurück (tsugunou), die Zinsen vergütete er nicht. Er hatte die (finanzielle) Kraft nicht, die Zinsen zurückzuzahlen. und da der Schwiegervater nun drängte, stieg im Schwiegersohn der Gedanke des Mordes auf. Jahre und Monate vergingen. Jener forderte und erbat das Geld zurück. Da stieg in des Schwiegersohnes Herzen die Mißgunst auf, und er sann heimlich: Ich muß einen Weg suchen und den Schwiegervater aus dem Leben schaffen. – Der Schwiegervater ahnte nichts und hielt harmlos (um das Geld) an. Der Schwiegersohn redete mit dem Schwiegervater und sprach: „Wir wollen zusammen nach Oku ziehn. Dort kann ich die Zinsen zurückzahlen.“ Der Schwiegervater hörte es, ging und bestieg das Schiff4, und sie fuhren gen Oku.
Der Schwiegersohn ward mit den Schiffsleuten eines Sinnes; sie setzten das Schlimme ins Werk, banden den Priester an den vier Gliedmaßen und warfen ihn hinab in die See. Lügnerisch sprach er zu der Gattin und sagte: „Den Priester, deinen Vater, verlangte dein Antlitz zusehen. Ich nahm ihn mit, und wir fuhren zusammen über. Plötzlich kamen wilde Wogen, das Postschiff4 versank; da war keine Hilfe, den edlen geistlichen Herrn (大徳) vor dem Ertrinken zu retten. So trieb er schließlich dahin, sank und ging unter. Nur ich allein bin mit dem Leben davongekommen“ Die Frau hörte es, jammerte und weinte laut und sprach: „Ohne Glück geht der Vater dahin. Wie hätte ich gedacht, daß ich das Kleinod verlieren würde. Nicht wieder kann ich den edlen Vater (父儀) sehen! Ach, lieber ginge ich auf des Meeres Grund und sähe nochmals des Vaters Gebein. Ach jammervoll! Ach! Schmerzensvoll!“
Der Priester, ins Meer gesunken, las mit höchster Herzenskraft das Hōkwō-Sutra, da sank die Meerflut (凹開) ein und öffnete sich; er kauerte auf dem Meeresgrunde und ertrank nicht [Wiewohl er auf den Grund des Meeres sank, drangen die Wellen nicht an den Ort, da er war.]. Zwei Tage und zwei Nächte vergingen, da kamen eines anderen Schiffes Leute, die fuhren nach dem Lande Oku über. Sie sahen eines Strickes Ende schwimmen, das sich auf dem Meere hielt und da herumtrieb. Die Schiffsleute griffen den Strick und zogen, da kam mit einem Male der Priester empor. Seine Gestalt und sein Aussehen war wie immer. Da wunderten sich die Schiffsleute sehr und fragten : „Wer bist du denn?“ Da antwortete er und sprach: „Ich bin der und der. Ich begegnete Räubern, da ward ich mit Stricken gebunden und ins Meer geworfen.“ Sie fragten weher: „Meister, welche wichtige Kunst ist es, die dich, da du ins Wasser gesunken, vor dem Tode erhielt?“ Er antwortete: „Ich rezitiere immer das Hōkwō-Groß-Gefährt. Wie sollte jemand weiter zweifeln an seiner gewaltigen Gotteskraft!5“ Nur des Schwiegersohnes Name und Zuname aber tat er andern nicht kund. „Fahre mit uns über nach Oku!“ sagten die Schiffsleute; und er folgte und begleitete sie nach Oku, Jener Schwiegersohn, im Lande Oku weilend, hatte um des versunkenen Schwiegervaters willen ein wenig Fastenspeise (罪食) bereitet und opferte den Drei Kleinodien.
鴻ニ立忍辱ノ高行ヲ。
Nakada: 贊曰:「美哉,不舉彼惡,猶能忍之. 寔斯法師,鴻立忍辱高行.」
Der Schwiegervater, der Priester, zog Speise erbittend da und dort umher. Da traf er auf die geistliche Versammlung (法事), reihte sich in der Jido (自度) Schar, verbarg sein Antlitz und blieb da, die Opferspeise zu empfangen. Der Schwiegersohn, der Amtmann, reichte die Spendung ehrfürchtig in eigner Person dem Priester. Da streckte der ins Meer geworfene Priester die Hände aus und empfing seine Spende. Der Amtmann sieht (es), vor den Augen schwimmt es ihm blau und grün; er wird rot im Gesicht; Entsetzen und Furcht packen ihn; er verbirgt sich. Da lächelt der Meister des Gesetzes mild; er ergrimmt nicht; er übt Langmut; er macht auch hernach letztlich die böse Tat nicht offenbar. –
Er sank ins Meer, das Wasser höhlte sich, und er ertrank nicht; giftige Fische verschlangen ihn nicht, Leib und Leben ward nicht-zu nichte. Wisse und verstehe wahrhaft: des Großen Gefährtes mächtig sich Erweisen (威驗), aller Buddha Schutz-Gewahren (加護).
Die Gatha sagt:
O schön fürwahr! Er bringt nicht jenes Böse vor, nein, er übt trefflich Langmut. Wahrhaftig, dieser Meister des Gesetzes richtet machtvoll der Langmut hohes Handeln auf.
Daher heißt es in dem Chōagon-Sutra:6 Wird Groll mit Groll vergolten, so ist es, wie wenn Gras Feuer löscht; wird Groll mit Barmherzigkeit vergolten, so ist es, wie wenn Wasser Feuer löscht. Damit ist das gesagt.