Vorbemerkung zum Herz-Sūtra
Die Herzenssutra, welche die Gedanken der großen Weisheitssutra, gedrängt zusammenfaßt in 262 Zeichen, ist außerordentlich viel in Gebrauch in Japan und China; unter den Sūtren die einfachste, wird sie von allen Schulen mit Ausnahme der Shin- und Nichirensekte gebraucht. Besondere Beachtung findet sie im Sōtō-Zen.
Das Sutra der höchsten Weisheit, die Essenz des erhabenen Hinübergelangens ans jenseitige Ufer der Weisheit oder Herz-Sutra (skr.: Prajñāpāramitā Hṛdayasūtra; jap.: 摩詞般心經 Maka Hannya Haramita Shingyō, umgangssprachlich oft nur shin-gyō; Pinyin: móhe bānruò bōluómìduōxīnjīng) gehört zu den bekanntesten Texten des Mahāyāna. Meist wird nicht das Sanskrit-Original, sondern die chinesische Fassung studiert, diese wird zudem oft japanisch ausgesprochen, da das es besonders in Japan beliebt ist. (Buddhist Mahāyāna Texts in: Sacred Books of the East XLIX. Online in verschiedenen Sprachen bei wikipedia und mp3.)
Hannya Shin-gyō, welches selber wieder Abkürzung ist für „Makahannyaharamitta Shin-gyō (skr.: Māharajñāpāramitāhrdaya-Sūtra), übersetzt von Kumarādjiva* (NJ 19), dann Hsüan-tsang (NJ 20). In Japan-Abschrift erhalten aus Tempyō 5. Jahr (734) als „Herzenssūtra.“ Ferner abgeschrieben als Hannya-haramita-dai-shin-gyō, in Tempyō 10 (738). Als Shin Hannya-Kyō Hōki 3. Jahr (772). Auch innerhalb des NR wechseln daher die Namen: in I,14 und III, 34 nennt sie zuerst Herzenssutra (Shin-gyō), dann Herzenshannya-Sutra. Konjaku monogatari bei II, 19 zuerst Hannya-, dann Herzenssūtra; II, 15 spricht von Hannya (Shingyō) Darani. Der Kommentar des Chikwō Hannya-Shingyō-Shutsugi ist in Abschrift aus dem 4. Jahr Shōhō (752) erhalten. Ein früher japanischer Kommentar existiert von der Hand Enchin's (= Chishō Daishi). Im 9. Jhdt. wurde das Sutra oft (mit andren) als tendoku bei Erdbeben, Seuchen, Dürre etc. dargebracht.
Der Shaku (釋) Gigaku2 war ursprünglich ein Mann von Kudara (Paekche). Als jenes Reich zerbrach, kam er hernach während der Regierung der in der Okamoto-Miya4 die Welt regierenden Himmlischen Majestät in unser heiliges Land (聖朝; „heilige Dynastie“) und hatte in dem Kudara-Tempel3 von Naniha (難破) seine Wohnung. Der Hōshi, dem Leibe nach 7 Ellen groß, besaß ein weites Wissen der Lehre Buddhas und hielt das Herzens-Hannya-Sutra (摩詞般心經) im Gedächtnis und rezitierte es.
Zur Zeit war da im gleichen Tempel der Mönch Egi (惠義), der ging allein um Mitternacht hinaus (zu jenes Behausung) hin. Da er nun schaute, (siehe) da erfüllte heller Lichtglanz das Innere des Gemachs. Der Mönch fand es befremdlich und durchbohrte heimlich das Papier des Fensters und spähte. Siehe, da saß der Hōshi in aufrechter Haltung und las das Sutra, und Glanz ging von seinem Mund aus, Da erschrak der Mönch und fürchtete sich und, seinen Fehler bereuend, teilte er es andern Tags allenthalben der Menge (der Mönche) mit.
Da redete der Hōshi Kaku mit den Schülern und sprach: „An einem Abend rezitiere ich das Herzenssutra etwa 100 Male. Danach so geschieht es, daß ich die Augen öffne und des Gemaches Innere schaue, (siehe) so sind die vier Wände Luft und leer, der Blick geht hindurch und das Innere des Gartens zeigt sich. Da finde ich in Gedanken das seltsam; ich gehe zum Gemache hinaus und wandere im (Tempel-)Hofinneren umher und schaue. Ich komme zurück, siehe, da sind des Gemaches Wände und Türen zu und verschlossen. Ich lege mich auf das Außenlager (外牀) und rezitiere aufs neue das Herzenssutra.5 Da öffnet es sich wieder frei hindurch wie zuvor. Das ist nichts anderes denn ein Wunder des Herzens-Hannya-Sutra.“ Die Gātha sagt:
O! groß fürwahr!
Der Mönch an Wissen reich, und weit in Lehre
weilt im Verschlossnen und singt (誦) das Sutra.
Das Herz dringt strahlend frei nach allen Seiten.6
Was klar sich zeigt, ist tief und still,7
Nun er Bewegung anhebt,
so öffnen frei sich des Gemaches Wände
und Lichtglanz strahlet hell.
1) 憶持 okuji: „Gedächtnis“ im doppelten Sinne: 1) es auswendig wissend, 2) immer es in Gedanken habend („Andacht“); „habend“ 1) „besitzend“ 2) „festhaltend.“ Innerlich es besitzen und völlig festhalten. Ähnlich hernach 念誦; dieser Terminus bedeutet heute meistens 念佛誦經 Buddhas Name anrufend, immer im Sinne habend, die Sutren rezitieren. Hier ist wahrscheinlich das Auswendiglernen der Sutren gemeint, und auch das „immerfort es in Gedanken habend“ betont. G: Ich lese mit geschlossenen Augen 100mal das Sutra.[ ▲ ]
2) Später nur 覚 kaku. [ ▲ ]
3) Nahe Naniwa (Osaka) befand sich eine Ansiedlung Kudara, mit Einwanderern von dort (= Paekche). Unter Kaiser Jomei wurde 639 wurde am Ufer des Kudara-Flusses dieser als Tempel gegründet (heute: Sumiyoshi-ku, Osaka). Zusammen mit dem Hōkō-ji galten diese als 'große' (Staats-)Tempel. Diese Funktion wurde unter Tenmu-Tennō vom Takechi-no-Ōtera übernommen (Nihon shoki XXIII und XXIX Tenmu 9/4). (Der Daian-ji in Nara wird in alten Quellen gelegentlich ebenfalls als Kudara-dera geführt.) [ ▲ ]
4) 岡本宮 bei Okamoto, Yamato. Gemeint ist offenbar Nochi no Okamoto no Miya der Saimei (früher = Kōgyoku). Dieser Palast war an der Stelle Kaiser Jomei's Okamoto-miya errichtet worden, hieß daher der 'spätere'. Heutiges Asuka-mura, Nara-ken. (Asuka Paläste) [ ▲ ]
5) Nakamura übersetzt diesen Abschnitt unrichtigerweise als einmaliges Ereignis der Vergangenheit. [ ▲ ]
6) Es geht hin und wieder ohne Hindernis. [ ▲ ]
7) 玄 dunkel, tief abgründig; 寂 schweigend, friedensstill, ruhevoll, einsam. Die nahe Beziehung dieses Gesangs zu der Entstehung unsrer Geschichte ist augenfällig. Auf das dicht hinter Sutra kommende „Herz“ sei hingewiesen. Ebenso deutlich scheint, daß die Erzählung den Sinn des Gesangs vergröbert auffaßt. Nakamura übersetzt diese, wie alle gātha ("the note says"), derartig unpoetisch, daß vom buddh. „Belehrungszweck“ kaum etwas erhalten bleibt. [ ▲ ]
*) „Kumārajīva, der berühmte indische Mönch, der 401 – [?383] als Kriegsgefangener – aus Kutscha kommend, bis 414 eine große Zahl von Sutren und Lehrtraktaten ins Chinesische übertragen hat, der fruchtbarste und beste Sutrenübersetzer,“ der „klassischen Übersetzungsperiode.“ Die Werke, von denen sich 50 im Ming-Kanon finden, zeichnen sich durch klaren Stil aus. Jp. Rajū sanzō. [ ▲ ]
Auswahl neuerer westlicher Literatur: